In großen Schritten geht aus auf die 2000 zu – mit Zwischenstop bei Joel in Brügge. Joel ist Buchhalter, allerdings jenseits der 75 und möchte nicht wirklich aufhören – um fit zu bleiben, wie er sagt. Und wenn man ihn so sieht, dann ist er der lebende Beweis, dass das Alter nicht einschränkend sein muss.
Joel hat ein Haus in Brügge, allerdings etwas abseits vom Zentrum. Parken kann ich vor der Tür, WLAN ist inklusive, Frühstück auch, ich habe eine ganze Etage für mich – und Joel kann gut Deutsch. Noch aus Schulzeiten, wie wir in unseren langen Gesprächen feststellten.
Wir unterhielten uns also über viele Themen – er hat nahezu die gesamte Welt gesehen, mit Ausnahme von Indien und Kongo. Immer dabei: sein Beagle, der auch grundsätzlich gut gelaunt durch die Wohnung turnt, gleichwohl der Temperaturen jenseits der 27 Grad.
Wir kommen im Gesprächsverlauf auf historische Themen, und Joel empfiehlt mir, Ypern zu besuchen – dort gäbe es eine Art Triumphbogen, in dem die Opfer des ersten Weltkriegs gewürdigt werden. Parallel dazu würde jeden Abend um 20:00 – und zwar konsequent jeden Abend – “The last post” geblasen, als Ehrerweisung für die Gefallenen. Ich habe mich also ins Auto gesetzt, verfahren, das Ziel dann doch noch gefunden – und war begeistert. Drei Bläser und ein Schulorchester standen inmitten einer riesigen Menschentraube unter jenem Bogen, und tun dies offenbar jeden Abend. Ein ehemaliger Veteran legte anschließend einen Kranz nieder. Derartige Formen der Erinnerung in meiner Heimat sind dann aber doch eine Sache, die man in Deutschland erst noch lernen muss.
Auf dem Rückweg kam ich dann noch an den Weltkriegsgräbern vorbei; entsprechende Fotos sind unten. Die Rückfahrt auf der Autobahn gestaltete sich dann so bequem, dass ich sogar mal wieder bei meiner Familie angerufen habe…
Zurück bei Joel – kurz vor 22 Uhr – stellten sich Hungergefühle ein. Auf die Frage hin, ob er ein Restaurant empfehlen könne, stellte sich aber automatisch die wirklich einmalige flämische Gastfreundschaft ein: Joel nahm mich in seinem Auto mit, fuhr mich zu einem Restaurant, das um diese Zeit keinen Küchenschluss hatte und speiste mit mir. So gab es Bier und flämischen Gulasch direkt am Wasser, und zu aller Freude lud er mich direkt zum Essen ein. Alle Erwartungen von mir an die Reise sind spätestens an diesem Abend meilenweit übertroffen worden.
Essen, fahren, ab ins Bett. Der Tag war lang und heiß.