Nun bin ich also endlich gelandet, froh und munter in Ibingen bzw. Aubange, ganz nach gewüschter belgischer Amtssprache.
Mein erster Eindruck von dem Städtchen, das etwa halb so viele Einwohner wie meine Heimatstadt hat: mitgenommen. Die Fassaden und Dächer sind nicht mehr jung, die Läden teilweise leer, die offen sichtbare Bevölkerungszusammensetzung eher typisch für Brennpunktviertel. Nicht weiter verwunderlich, denn Aubange (der deutsche Name erscheint mir angesichts der absenten Sprachverwendung des Deutschen sinnbefreit) ist eine Grenzstadt – hier soll es laut jüngsten Medienberichten Probleme mit Menschenhandel geben, Drogen, Prostitution, Car-Jacking. Nun weiß ich nicht, ob das vielleicht nur den Teil von Aubange betrifft, in dem ich gerade bin – oder ob das in der ganzen Stadt so ist.
Meine Gastgeberin wohnt im zweiten Stock an einer vielbefahrenen Straße; die Fenster sind leider eher dünn. Nichtsdestotrotz habe ich WLAN, einen Parkplatz und damit stimmt soweit alles – nur etwas kühler dürfte es hier sein. Die Kommunikation auf Englisch ist soweit in Ordnung – wir verstehen uns. Sie versucht zwar, Deutsch zu lernen, aber es sei very hard für sie; ist ja bei Wörtern wie Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz auch kein Wunder.
Die Wohnung selbst ist klein, aber durchaus hübsch eingerichtet. Die Ikea-Möbel in weiß und schwarz sind ein angenehmer Gegensatz zu der Welt vor dem Fenster. Einzig etwas gewöhnungsbedürftig sind die Falttüren – für eine Nacht aber nicht das Problem. Es ist sauber und nahezu alle Haushaltsgeräte kommen von deutschen Marken – Kärcher, Bosch, Miele. Schon lustig, dass diese Kleinigkeiten aus der Heimat auch in der Fremde wieder auftauchen.
Etwas irritiert war ich über den Hinweis, doch bitte nicht am Nachtladen (so ähnlich wie ein deutscher Spätshop) zu parken – dort sei es gefährlich für mein Auto. Sie erklärte mir das ganze dann auch ausführlicher: seit die Franzosen die WM gewonnen haben, fahren jene (wie ich bestätigen kann) gröhlend durch Aubange und feiern “ihren” Sieg.
Ich parkte also um, und das Problem war behoben. Zeit, für Nahrungsaufnahme zu sorgen.
Raus ins Örtchen, oder zumindest den hiesigen Ortsteil. Irgendwie fühlt man sich hier komisch: der Ort wirkt nicht nur wie ein Brennpunkt, er scheint auch einer zu sein. Jugendgruppen aller Art und Größe, Stiernackenherren, afrikanisch geprägte Mitbürger – inmitten einer teils sehr heruntergekommenen Stadt. Nicht jedes Dach wäre hier ohne die Plane darauf dicht. In den Fenstern sitzen Jungherren meines Alters und darunter, meist rauchend. Und plötzlich nebeneinander zwei Restaurants, in denen die Welt auf einmal ganz anders aussieht: perfekt saubere Tische, gepflegt aussehende Kellner, kurzum: die biederen Anteile von Aubange. Mittendrin. Und die dazu passenden Aubanger selbst scheinen hier essen zu gehen, wenn man den Aufdrucken der T-Shirts folgt. Die Klientel in diesem asiatischen Restaurant passt nicht ansatzweise zu den restlichen Leuten, die 20 Meter weiter im Straßenpark oder vor den Häusern sitzen. Ein interessanter Kontrast.
Nachtrag vom Morgen danach: Bei Sonne sieht das alles viel freundlicher aus.