Endlich wieder im kühlen Auto. Weiter auf dem Weg nach Blankenberge, um mich wieder im selben Staugebiet wie gestern anzustellen, auch wenn es heute etwas schneller geht. Zwischenzeitlich habe ich noch für 1,394 getankt, worüber ich mich mittlerweile immer wieder freue. 42 Liter gingen wieder rein; mit mathematischer Grundkenntnis lässt sich die Kreditkartenbelastung berechnen. Übermäßige Freude beim Erwerb ist etwas anderes.
Blankenberge selbst ist eine verkehrstechnische Katastrophe. Das liegt nicht zuletzt an der über 60 Kilometer langen Küstenbahn, die alle Orte entlang der Küste miteinander verbindet – irgendwo habe ich gelesen, es sei damit die längste Straßenbahnlinie auf dem Kontinent. Diese Bahn fährt in der Mitte der Straße und trennt die Fahrspuren für die beiden Richtungen so baulich. Wer die Richtung wechseln will, etwa um zu wenden, muss also die Schienen queren. Dafür gibt es keine Ampeln, sondern lediglich die Option der Seitenfenster. Die Bahn hat grundsätzlich Vorrang.
Bei der andauernden Parkplatzsuche wurde mir das auch knapp zum Verhängnis. Ringel fahren und nichts finden war mir bereits wohl bekannt, bis ich auf eine Armada an Einbahnstraßenschildern stieß und lediglich über die Schienen fahren konnte, da ein anderer legaler Weg nicht erkennbar war. Ich folgte also meinem einheimischen Vordermann, während mich der Hintermann förmlich durch die Stadt schob – und die Bahn seitlich anfuhr. Der Straßenbahnfahrer sah mich auch, fuhr aber dennoch an – Vorrang wird dort scheinbar als zwangsläufig durchsetzbar betrachtet. Mein verkehrsbedingter Stillstand, zudem ich plötzlich durch meinen Vordermann verpflichtet war, war ihm hinlänglich egal.
Es hupt. Irgendeine Mischung zwischen Schiff, LKW und deutschem Polizeihorn. Vor mir ein Transporter, hinter mir ein PKW. Bevor ich realisiert hatte, dass es die sich annährende, gerade anfahrende Bahn sein muss, verging durchaus etwas Zeit.
Rechts ist Gas, runter von der Schiene, irgendwie. Unschön und knapp, aber noch rechtzeitig. Ich habe daraus gelernt: selbst, wenn der Verkehr unvorhersehbar plötzlich stockt, darf man in Blankenberge nicht auf der Schiene stehen bleiben – gefühlvoll abheben, sich in Luft auflösen, alles besser als das. Der Bahnfahrer fährt trotzdem los. Und die Bahnen klingeln nicht, sondern blasen ihr Horn. Verrückt.
Und weil das noch nicht reicht, beginnt nun im Viertel vor dem Museum der Kampf um den Parkplatz. Ein C-Klasse-Fahrer entschied sich, im Parkverbot mit Warnblickanlage zu parken. Jener Herr schloss sein Auto ab und verschwand, während es orange vor sich hin blinkt. Auch eine Option.
Weiter vorn steigt ein Herr in einen Kleinwagen mit französischem Kennzeichen. Statt aber loszufahren, raucht er ersteinmal eine Zigarette – in seinem Auto, allerdings auf dem Stellplatz. Das war so nicht vorhersehbar, und da jener Typ sämtliche Bewegungen zum Öffnen und Betreten des Fahrzeugs in Zeitlupe vollführte, wartete ich anfangs geduldig – zum Missfallen der hupenden Belgier hinter mir. Ich stelle mir hier vor allem eine Frage: Wie würden diese Leute nur ohne ihr Bosch-Doppeltonhorn im Straßenverkehr zurecht kommen?
Man höre und staune, da ist ein Parkplatz. Beschränkt auf eine Stunde. Egal, nehmen, bezahlen, zum Museum.
Studenten zahlen wie immer weniger. Wahlweise bekomme ich Rabatt als “Kunstschaffender”, Student, unter-26-jähriger, Tourist, was auch immer. Hauptsache, es ist billiger.
Im Bella-Epoque-Museum, welches sich der gleichnamigen Epoche um die Jahre vor dem ersten Weltkrieg richtet, habe ich irgendwie das Gefühl von heiler Welt. Stilvolle Einrichtung und Kleidung, Erinnerungen an interessante Lebensweisen. In gewisser Weise vermisse ich die Hüte und Badekarren, ohne sie je erlebt zu haben. Dieses Museum ist lohnenswert; danke für den Tipp an den ADAC.
Nach einer knappen Stunde in der Ausstellung und einem zweiminütigen Strandbesuch steht auch mein Weiterreiseentschluss fest: Richtung Brüssel, aber noch nicht in die Stadt. Wenn man so will, quasi ein vorsichtiges Herantasten.
Airbnb versorgt mich mit einer Unterkunft auf dem Dorf im Raum Lokeren – und es sind 35 Grad nach Celsius. Zeit, wieder das klimatisierte Auto aufzusuchen.
Nach gewohnt unspektakulärer Fahrt und dem Verzehr eines Sandwiches in Lokeren nebst einiger Fotos vom Markt geht es weiter zu meiner Gastgeberin, ein paar Kilometer von Lokeren entfernt.
Eline ist Studentin und etwas über 20, vermietet ein Zimmer im Haus ihres Vaters und ist sonst in Brüssel. Da ihr Vater aber im Urlaub ist und sie sozusagen Heimaturlaub durchzuführen pflegt, habe ich nun Parkplatz, kaum WLAN und Hühner vor der Tür. Endlich wieder auf dem Dorf!
Besonders merkt man das am Internet. An exakt einer Stelle hat mein mobiler UMTS-Router Empfang, und das auch nur im Netz von Base – nicht bei Proximus, nicht bei Mobistar. Internettechnisch bin ich hier wirklich auf dem Dorf, zumal der Hausanschluss auch nur per LTE funktioniert und auch noch volumenbasiert abgerechnet wird.
Eline spricht gut Englisch und versteht Deutsch einigermaßen, spricht es aber eher weniger. Das war für uns aber kein Problem, die Unterhaltungen waren durchgehend gut und die Tipps für die Weiterreise gut. Wie von den Flamen gewohnt, ist die Gastfreundschaft immens. Besonders politische Themen spielen eine große Rolle in unseren Unterhaltungen – auch bei belgischem Bier und der einen oder anderen Zigarette am Abend.
Kurzum: hundert Punkte für diese Unterkunft und die Gastgeberin, hier ists schön. Prost.